Kaktus des Jahres 2012 – Astrophytum asterias

Alljährlich wählen die Kakteen-Gesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz einen Kaktus des Jahres. Für das Jahr 2012 fiel die Wahl auf den wegen seiner perfekten Symmetrie beliebten Seeigel-Kaktus.

Nur wenige Kakteen hatten in den ersten Jahrzehnten nach ihrer Entdeckung eine so abenteurliche Geschichte wie das Astrophytum asterias. Bis es endgültig in den europäischen Sammlungen heimisch wurde, musste zweimal der Zufall kräftig mithelfen.

Der Naturforscher Baron Wilhelm von Karwinsky aus München war schon fast drei Jahre im Auftrag der russischen Regierung in Mexiko unterwegs, als er im Sommer 1843 im offenen Wagen durch das mexikanische Küstengebiet des Staates Tamaulipas reiste. Ein Windstoß riss ihm plötzlich seinen Hut vom Kopf und wirbelte ihn durchs Gelände. Als Karwinsky seine Kopfbedeckung endlich erwischt hatte und sich danach bückte, entdeckte er einen kreisrunden kleinen Kaktus ohne Dornen, aber mit dicken Areolenpolstern, der durch seine graugrüne Färbung in der lehmigen Umgebung kaum zu sehen war. Er grub noch weitere Exemplare aus, von denen er später eines dem Botaniker J. Gerhard Zuccarini an den Botanischen Garten München sandte. Leider ging die Pflanze bald ein, nur das Spirituspräparat und die Beschreibung durch Zuccarini aus dem Jahr 1845 zeugten noch von ihrer Existenz. Da auch Baron Karwinsky keine Angaben über den Fundort machte, blieb das Astrophytum asterias, wie es später genannt wurde, Jahrzehnte lang verschollen. Immer wieder vermutete man hinter vielen Neufunden die gesuchte Rarität, doch es dauerte 80 Jahre, bis der tschechische Kakteenjäger A. V. Frič 1923 im botanischen Garten von Mexiko City zufällig zwei Exemplare des richtigen Astrophytum asterias entdeckte, das er vorher nur als ausgebleichtes Spiritus-Präparat in München gesehen hatte. Er nahm Kontakt zu dem Finder der Pflanzen auf und konnte die endlich wieder entdeckte Pflanze in der Natur sammeln.

 

Wie sehnlich die Kakteenwelt auf das Astrophytum asterias gewartet hatte, zeigte sich im Preis, der dafür erzielt wurde. So kostete 1924 eine Pflanze von 4 cm Durchmesser 40 Mark, was den halben Monatslohn eines Industrie­arbeiters in guter Stellung bedeutete. Obwohl die Bezeichnung „asterias“ eigentlich auf den Seestern hindeutet, bürgerte sich bei uns die Benennung Seeigelkaktus ein, was auf die frappierende Ähnlichkeit des Pflanzenkörpers mit der Schale des Seeigels hinweist. Auch im Pflanzenreich hat sich im Verlauf der Evolution eine verblüffende Konvergenz herausgebildet. In Südafrika findet man mit dem Wolfsmilchgewächs Euphorbia obesa eine Sukkulente, die sich unter ähnlichen Umweltbedingungen täuschend ähnlich entwickelte.

Obwohl das Astrophytum asterias – besonders in den Sämlingsjahren – nicht so einfach zu pflegen ist wie die anderen Astrophyten, hat es seit seiner Wiederentdeckung Einzug in viele Kakteensammlungen gefunden. Aus Japan, China und anderen asiatischen Ländern wurden in jüngster Zeit unglaublich dekorative Züchtungen bekannt, während die natürlichen Populationen in Mexiko und Texas immer stärker bedroht bzw. bereits vernichtet sind.
Zum Kaktus des Jahres 2012 wurde das Astrophytum asterias aufgrund seines interessanten Äußeren und der abenteuerlichen Entdeckungsgeschichte gewählt, aber auch um darauf hinzuweisen, dass es – wie viele andere Kakteen auch – im Begriff ist, ohne wirksamen Schutz erneut, diesmal aber endgültig,  in der Natur ausgerottet zu werden.

Kaktus des Jahres, 2012, Kurzfassung

Alle Fotos/all photos: Klaus-Peter Kleszewski

Astrophytum asterias Kultivar
Astrophytum asterias Kultivar ‘Super Cabuto’
Astrophytum asterias
Astrophytum asterias
Astrophytum asterias
Astrophytum asterias
Astrophytum asterias
Astrophytum asterias
Astrophytum asterias mit Seeigel
Astrophytum asterias mit Blüten